Aktuell

     

    Tanz auf dem Vulkan

     

    Weltraumschrott

    schmelzende Gletscher

    marode Kernkraftwerke

    weltweite Pandemien

    Hunger

    Folter

    Unterdrückung

     

    das Leben und Sterben nicht nur des einstmals reichen Menschen

    dieser spürt es nur mehr als der arme

    der schon immer arm

    und unterdrückt war

     

    immer schneller

     immer toller

    tanzen wir auf dem Vulkan

    dem Abgrund entgegen

    und tun so

    als ob nichts wäre

     

     

    Dorothea Zeichmann, 16.8.2020

     

     

    Entschleunigung

     

    ich lese langsam

    schreibe langsam

    gehe langsam

    arbeite langsam

    koche langsam

    verkoche alles

    was ich beim langsamen Arbeiten

    angebaut und geerntet habe

     

     

    slow fashion: Verantwortung tragen

    slow food: regional und saisonal kochen

    home office: auf das Pendeln verzichten

    home schooling: zu Hause lernen

    home cooking: für die Daheimgebliebenen kochen

     

     

    Dorothea Zeichmann, im Jahre 2020

     

     

    Eine Schande für Europa

     

     

     

    Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll, also stelle ich die Frage: Warum schweigen wir, warum habe ich so lange geschwiegen? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es Feigheit oder auch nur Bequemlichkeit, denn uns geht es ja gut. Es fehlt uns an nichts Wesentlichem. Wir leben in gut geheizten Häusern oder Wohnungen, können täglich mehrere Mahlzeiten (natürlich auch warme) zu uns nehmen, erhalten, falls sie erforderlich wäre, die nötige medizinische Betreuung und dürfen uns sicher fühlen. Wir wissen vermutlich gar nicht, wie gut es uns geht.

     

    Radio, Fernsehen und Zeitungen bringen von Zeit zu Zeit Berichte und Bilder zu uns in unsere Wohnzimmer – wahrscheinlich aber nicht oft genug – von den Zuständen in den Lagern Moria und später in Kara Tepe (diese beiden Namen stehen hier stellvertretend für alle derartigen, menschenunwürdigen „Lager“, wo immer sie auch sein mögen). Wir können also nicht vorgeben, von nichts zu wissen.

     

    Europa schaut zu und tut nichts oder zu wenig und wir tun auch nichts oder zu wenig. Dabei hätten die Menschen dort jede Hilfe dringend nötig. Die dortige katastrophale Situation sollte uns bekannt sein, auch wenn wir uns den tatsächlichen Alltag nicht vorstellen können, wir, die wir täglich im warmen kuscheligen Bett unseres beheizten Schlafzimmers aufwachen und darüber nachdenken können, was wir, nachdem wir aufgestanden sind und uns im Badezimmer mit warmem Wasser und sauberen Handtüchern gewaschen und abgetrocknet haben, frühstücken werden.

     

    Stellen wir uns vor – versuchen wir es einmal – wir wären Flüchtlinge in einem der Herkunftsländer dieser Menschen oder in irgendeinem Land dieser Welt und wären auf Hilfe angewiesen. Würden wir dann nicht dringend auf eben diese Hilfe hoffen, ja mit ihr rechnen, um uns ein menschenwürdiges Überleben zu ermöglichen?

     

    Das Argument, dass, wenn wir diesen Menschen eine menschliche Behandlung zukommen lassen, sich dies sozusagen „herumsprechen wird“ und dadurch noch mehr Flüchtlinge kommen werden, kommt einem mehr als zynisch vor. Es ist meiner Meinung nach Europas Pflicht, den Menschen, die hilfsbedürftig und auf Hilfe hoffend zu uns gekommen sind, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.


     

     

    (27.12.2020.)

     

    7.6.2020:

    (Ovo je za sada moje poslidnje čitanje; hvala svim čitateljem za pažnju i zanimanje. Nach 30 Lesungen ist dies vorläufig meine letzte Corona-Lesung. Wir werden sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.)

     

    Ni jedna naša cesta

    Ni jedna naša cesta

    neće biti imenovana po mojem ocu

    i ako je gradio kuće i škole

    i asfaltirao ceste

     

    ni jedna naša placa

    neće biti imenovana po mojem ocu

    i ako se je smrzivao zimi

    i se potio ljeti

     

    ni jedna naša ulica

    neće biti imenovana po mojem ocu

    i ako se je tajedan za tajedan

    daleko vozio na posao

     

    ni jedan trg

    neće biti imenovan po mojem ocu

    i ako je živio samo za druge

     

    zadnja pjesma

    i opet se vozim

    polje i livade

    stabla i rijeke

    više i niže hiže

    sve leti mimo

     

    ovput se vozim

    u nepoznato

    kako će biti

    kad je vožnja pri kraju

    vozim se dalje

    ne ogledivam se najzad

    znatiželjna sam

    kako će biti

    u virtualnoj zemlji

    onkraj svih granic

     

    das letzte Gedicht

    und ich fahre wieder

    Wiesen und Felder

    Bäume und Flüsse

    hohe und niedrige Häuser

    fliegen vorbei

    diesmal fahre ich

    ins Unbekannte

    wie wird es sein

    wenn die Fahrt vorüber ist

    ich fahre weiter

    schaue nicht zurück

    und bin gespannt

    wie es sein wird

    im virtuellen Land

    jenseits aller Grenzen

     

    4.6.2020:

     

    svi smo ljudi

    neki nas meću u ladice

    drugi nas generaliziraju

    treći nas obožavaju

    a jedni mrzu

    neki nas vabu

    jer smo im važni

    kot kupci ili birači

    drugi opet nas marginaliziraju

    neki nam broju dane

    još nećedu crknuti

    kako dugo ćedu još izdržati

    zač se još nisu asimilirali

    slobodnovoljna smrt je za druge uvijek najugodnija

    gledaju i filmaju nas

    a pak još ni črni nismo!

    svi smo ljudi

    a za mržnju nije mjesta!

    (3.6.2020.)

     

    der Sahnelöffler

    ich lache für alle

    die zu schwach zum Lächeln waren

    ich löffle die Sahne für alle

    die nicht einmal Magermilch bekamen

    ich trage Pelzschuhe für alle

    deren Füße frieren mussten

    ich liege in der warmen Badewanne für alle

    die unter die kalte Dusche kamen

    ich lebe für alle

    die mein Alter nie erreichen durften

    ich sitze da und schreibe für alle

    die mich nie darum gebeten haben

    (Café Griensteidl, Wien, 13. Nov. 1997)

     

    kava sa šlagom

    smijem se za sve

    ki se ni smihljati nisu mogli

    pijem kavu sa šlagom za sve

    ki ni mlika nisu dostali

    nosim krznene cipele za sve

    ke su noge zeble

    ležim u kadi s teplom vodom za sve

    ki su došli pod mrzao tuš

    živim za sve

    ki nisu smili dostignuti moju starost

    sidim ovde i pišem za sve

    ki me nikada nisu za to prosili

    (prevodila 22.4.2001. za čitanje 28.4. u gimnaziji u Borti)

     

    1.6.2020:

    (Duhovski pandiljak/Pfingstmontag)

    Duh iznad svih duhov

    Duh iznad svih duhov

    rasviti pamet svim,

    ki hodu u škurini,

    razvedri dušu njihovu

    i otvori im srce.

    Duh iznad svih duhov

    rasviti pamet svim,

    ki ne poznaju niti tebe

    ni samoga sebe.

    Amen.

    (Duhovska nedilja, 31.5.2020.)

     

    Pfingstwunder

    Jeder glaubt

    den anderen zu verstehen

    in Wahrheit

    versteht niemand

    auch nicht sich selbst

    immer wieder

    neue Hoffnung

    auf ein Wunder

    das Pfingstwunder

    als Aufhebung

    der babylonischen Sprachverwirrung

    (31.5.2020)

     

    čekat ću dalje

    jedno ljeto i tisuć

    ča je to meni

    ich werde warten

    ein Jahr und noch tausend

    was ist das schon

    (weitere Haikus in „Zwischen Himmel und Hölle“, 2012)

     

    29.5.2020:

     

    Fridays for future – Petki za budućnost

    Pandiljki za budućnost

    utorki za budućnost

    srijede za budućnost

    četvrtki za budućnost

    petki za budućnost

    subote za budućnost

    nedilje za budućnost

    svaki dan i

    sve za budućnost

    (31.5.2019., napisala prilikom Austrian World Summit 29./30.5.2019. i klima-protestov s Gretom Thunberg u Beču 31.5.2019.)

     

    Imamo samo jednu

    Ne rabite zemlju

    imamo samo jednu

    ne otrujte okoliš

    jer nam neće ostat niš(t)

    šparajte na struji

    čudača zaman oko nas zuji

    ne hitajte zaman kraj

    i ako mnogo svega producira veliki zmaj

    mislimo prije nego hasnujemo

     je li to zaista tribamo

    ne rabite zemlju

     imamo samo jednu

    (31.5.2019.)

     

    zbogom si damo

    danas i svaki dan

    samo do zutra

    Abschied nehmen wir

     heute und jeden Tag

     aber nur bis zum Morgen

    (weitere Haikus in „Zwischen Himmel und Hölle“, 2012, Seite 74/75, 1)

     

    26.5.2020:

     

    smrt u protuliću

    vidila sam mušice tancat

    u večernji traki protulićnoga sunca

    čula sam ptičice jačit

    o neizmjernoj milini prirode

    dušala/mirisala sam fajgulice

    bazak i vodanice

    i ćutila sam da živim

    zato se ne plačite kad umrem

    jer sam zaista živila

    (5.5.2003)

     

    stehen bleiben

    stehen bleiben

    inne halten

    hören und schauen

    das Blau des Himmels

    die Nacktheit des Baumes

    die Stille des Tages

     

    stehen bleiben

    inne halten

    hören und schauen

     als wäre es das letzte Mal

    und jetzt erst alles sehen

    aufnehmen

    verwahren

    in seinem Innersten

    bis in alle Ewigkeit

    (6.12.2017)

     

    toliko za dati

    a nikoga ovde

    ki bi to kanio imati

    so viel zu geben

    doch niemand da

    der es haben möchte

    (weitere Haikus im Buch „Zwischen Himmel und Hölle“, 2012)

     

    23.5.2020:

     

    Brižićevi dvuori

    Kad bi ovi kameni govorili

    koliko bi nam povidati mogli

    pjesme ispjevane

    igre izigrane

    narodu na slavu

    duši za hranu

    stoljeća stari dvuori

    stojte i na dalje

    izdržite

    ne propadite

    nastavite

    svoje djelo

    hvale vridno

    Brižićevi dvuori

    krunica nad Prekom

    (Dorotea Zeichmann, u augustu 2019.)

     

    more

    kako daleko mi oko gleda

    tako daleko se ljuljaju slapi tvoji

    svaki dan obnavljaš

    prastaro lice tvoje

    blistajuć se novo rodiš

    kot Venera

    ka izlazi

    iz pjenastog kupela

     

    šumi mi more

    i dalje mi šumi

    da te još dugo uživati morem

     

    (Dorotea Zeichmann, 27.7.2018.)

     

    sviće se gasu

     

    vozim se vozim

     dan za danom

    i mislim na tebe

    jako mi fališ

     

    sviće se gasu

    i večer se škuri

    reci mi dragi

    misliš na mene

     

    nikad te neću

    voliti više

    nego li sada

    kad mislim na tebe

     

    sviće se gasu

    i večer se škuri

    reci mi dragi

    misliš na mene

     

    znam da je kasno

    zaman se kajem

    sudbina nas neće

    spojiti više

     

    sviće se gasu

    i večer se škuri

    reci mi dragi

    misliš na mene

     

     

    20.5.2020:

     

    Izlazak

    Ča je pred krizom

    išlo krivim putem

    prez da smo bili pripravni

    ča preminiti

    koliko smo u zadnjem času

    imali lazno misliti

    bili prisiljeni razmišljati

    o našem dosadašnjem načinu življenja

    o našem potrošačkom društvu

    kade je izlazak

    iz ovoga vrtoglavoga labirinta

    išćimo ga

     da se ne izgubimo

    (19.5.2020.)

     

    VI. MOLITVA MLADE HRVATICE

     Kad je ovo VI. molitva,

     ćemo se veljek pominat za VI. zapovid.

     Nako je opet aktualna kot još nikada ne.

     Dosta nam je zloupotribljavanja dice!

     Dosta nam je zlostavljanja žen!

     Dosta nam je diskriminiranja ljudi,

    ki su u spolnom pogledu drugačije orijentirani!

    Ča se je svega djelalo u Tvoje ime

    i glasilo da je to Tvoja sveta volja!?!

    Dosta je toga za tri vijeke!

     

    Kad se ov svit jur giblje i minja na sve strani,

    zač ne veljek preminiti i emancipirati Tvoju crikvu?

     Da ne bude ona samo crikva neke hirarhijske elite,

     nego da bude konačno crikva svih ljudi, ada i žen.

     Amen.

     (feb. 2019.)

     

    kad ti andjeli jaču

     pazi i gledaj dobro

    da ti se vrag ne zagrozi

     wenn dir Engel singen

     pass gut auf

     dass der Teufel dir nicht droht

     (aus „Zwischen Himmel und Hölle“, 2012)

     

    17.5.2020:

    zač si nisi željio sine

    oče

    boj je bio na koncu

    zač si si željio kćere

    oče

    bitka je još bila pred nami

    ča si si očekivao

    oče

    slablje se od slaboga mesa rodi

    ča si hotio reći

    oče

    kad mi ništa nisi rekao

    (iz knjige "Mrtvi na odmoru", 1999)

     

    karte su frcale prik stola

    stakalca su se spraznila u gute

    a krčmar je stalno natakao

    igrali su poker

    za duše umreće

    za dicu i starce

    za muže i žene

    pred svim za mlade

    za njevu budućnost

    a črni cagr vrimena

    obraćao se je dalje

    natoči nek krčmar

    sprazni tvoj voz

    ča do gustoga dna

    (iz knjige "Mrtvi na odmoru", 1999)

     

    rekao mi otac

    uči se od prirode

    ona je strpljiva

    Vater sagte mir

    lerne von der Natur

    sie ist geduldig

    (weitere Haikus in "Zwischen Himmel und Hölle", 2012)

    Es kommt zurück

     

    irgendwann kommt alles zurück

    was man füreinander getan

    und nicht getan hat

    jedes gute und jedes böse Wort

    kommt auf Flügeln zurückgeflogen

    jeden Gedanken

    an jemand anderen verschwendet

    erhält man mit Zinseszinsen zurück

    nur die Zeit nicht

    denn die Zeit

    die man jemand anderem geschenkt

    bleibt für immer

    ein Geschenk

     

    Dorothea Zeichmann, 11.1.2020

     

    Wie lange können wir, wie lange kann die Weltöffentlichkeit angesichts des Fehlens grundlegender humanitärer Bedürfnisse, um nicht zu sagen humanitärer Katastrophen, wie sie derzeit zum Beispiel in Ost-Gutha, aber auch anderswo, stattfinden, wegsehen, so tun, als ob es sie nicht gäbe. Denn nichts anderes ist das, wenn wir, wenn die Welt nichts dagegen unternimmt. Es stellt sich unmittelbar die Frage, warum ist das so, will man nichts ändern und wenn ja, wer will nichts ändern? Wer will nicht, dass die Kampfhandlungen aufhören, dass die Verwundeten behandelt und die Bevölkerung mit allem Notwendigen versorgt werden?

    Wohin führt uns die immer größere Zerstörung unserer Umwelt, die "Eroberung" und Vereinnahmung von Wiesen, Feldern und Wäldern durch den Menschen, indem er diese verbaut, versiegelt, zubetoniert,  mit einem Wort sie dem modernen Menschen und den immer größer werdenden materiellen Anforderungen der modernen Gesellschaft zugänglich macht?

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